Siebentes Capitel.
Am 19. Januar sahen wir die Sonne zum letztenmale in Czernigow aufgehen. Mit Tagesanbruch sammelten wir uns jubelnd auf einem Platze, wo sich nach und nach die f?r die Officiere bestimmten Schlitten einfan-
den. Zu den Officieren wurden auch die Aerzte Bopp und Mautz gez?hlt. Letzterer hatte mit Wehmuth von seiner Dame Abschied genommen, und verschiedene vortheilhafte Antr?ge f?r den Fall, da? er im Lande bleiben wollte, ausgeschlagen. Mit Geld und Vorrr?then waren er und Bopp reichlich versehen. Mit uns vereinigten sich mehrere Bayern, Westphalen und Hessen. Die Unteroffiziere und Soldaten bestanden meist aus W?rttembergern. Die ganze Zahl mochte sich mit Einschlu? der Officiere auf 130. K?pfe belaufen.
Um 10. Uhr Vormittags traten wir freudig den Marsch an. Die Officiere sollten mit den Gemeinen die nemlichen Stationen halten, eine Einrichtung, wodurch unsere Heimkehr nothwendig sehr verz?gert werden mu?te, und die uns schon in Czernigow zur Verabredung veranla?te, in dem ersten Orte, wo wir einen Commandanten treffen w?rden, gegen diese Marschweise zu protestiren, und um Beschleunigung der Reise der Officiere anzusuchen. Wir schlugen die Strasse nach Bobruysk ein, und machten kleine Tagm?rsche. Schon am dritten Tage nach unserer Abreise von Czernigow, am 21. Jan[u- a]r hatten wir den Verdru?, Rasttag machen zu m?ssen. Unsere Gegenvorstellungen // S. 166// blieben fruchtlos. Ueber Lohiew, Reczice, Horwel und Pobolowa, zogen wir durch waldigte Gegenden, ?fters begleitet von einem Haufen heulender W?lfe, und kamen, nachdem wir in der Zwischenzeit noch 3. Rasttage gehalten hatten, am 2. Febr[uar] in Bobruysk216 an. Auf dem ganzen Wege waren wir ?berall mit mehr oder weniger Gef?lligkeit aufgenommen worden, sobald die Einwohner vernahmen, da? wir aus Feinden ihre Freunde geworden seyen. Nur der verw?nschte Militzofficier mit seiner Mannschaft konnte und wollte sich mit uns nicht befreunden. In Bobruysk rasteten wir abermals einen Tag, und ben?zten ihn dazu, bey dem Festungs-Commandanten, Obersten v[on] Bergmann, ?ber die Art unserer Transportirung und Behandlung durch den Landwehrofficier Beschwerde zu f?hren. Unsere Klagen wurden als wohlbegr?ndet erkannt, und wir sofort dem Commando dieses Officiers entzogen. Die Gemeinen blieben zwar unter seinen Befehlen, es wurde ihm aber eine gute Behandlung derselben sehr ernstlich empfohlen. Wir erhielten zum Commandanten einen Officier aus unserer Mitte, den OberstLieutenant v[on] Berndes, und zu unserer Bedeckung, zwey handfeste, gutwillige, wackere Kosaken. Die P?sse und ?brigen Papiere wurden dem Herrn v[on] Berndes, und nur die Marschroute einem der Kosaken eingeh?ndigt. So trennten wir uns am 4. Febr[uar] von unsern fu?gehenden Soldaten, und setzten den // S. 167// R?ckweg auf Schlitten fort. Der Hauptmann v[on] Butsch und ich hatten uns zu bequemerem Fortkommen am ersten Rasttage in Riepky einen Schlitten gekauft, in dem wir uns gegen die K?lte gut zu sch?tzen vermochten.
Schon am ersten Tage h?tten wir beinahe unsere Trennung vom Landwehrofficier bereut, da wir gar ?bel berathen waren mit unserer Vorspann, allein am n?chsten Tage wurde dieser Uebelstand durch die Th?tigkeit unserer Kosacken gehoben{748}, und wir selbst nahmen uns nachher oft heraus, von den Ortsbeh?rden mit Ernst, und sogar unter Drohungen gute Vorspannspferde zu fordern. Rasch setzten wir die Reise fort, und schon in den ersten Tagen waren unsere Kosaken gen?thigt, ihre Pferde zur?ckzulassen, und wie wir, sich der Schlitten zu bedienen. Am 5. Februar trafen wir in Klusk mit bayrischen und s?chsischen Officieren zusammen, die im Gouvernement Nischney Nowogorod in Gefangenschaft gewesen, und schon seit dem 29. Nov[em]b[e]r des vorigen Jahrs auf der Reise waren. Sie konnten die Gef?lligkeit und Th?tigkeit, womit ihre Heimkehr vom dortigen Gouverneur betrieben worden war, nicht genug r?hmen, und staunten ?ber die Schwierigkeiten, die unserer Abreise von Czernigow so lange gemacht wurden. Die Stra?e, die wir von Bobruysk an218 eingeschlagen hatten, war keine Heerstra?e, sondern eine kleinere Route, auf der wir aber nichts // S. 168// desto weniger schnell bef?rdert wurden. Wir passirten die nicht unbetr?chtliche Stadt Sluzk, das St?dtchen Romanew, die Stadt Nieszwiesz , die noch die Spuren eines 1812. in ihrer N?he vorgefallenen hitzigen Gefechtes der Russen mit den Oestreichern und Pohlen trug, Slonim, eine ebenfalls bedeutendere Stadt, Sabelin, ein artiges St?dtchen, Grodek, und langten am 16. Febr[uar] in Bialystok an, nachdem wir von Bobruysk bis hieher innerhalb 13. Tagen eine Strecke von 355. Wersten oder 102. deutschen Stunden zur?ckgelegt hatten. Beinahe ?berall und mit wenigen Ausnahmen hatten wir eine gef?llige Aufnahme gefunden, ob wir gleich nirgends eine freye Verpflegung erhielten. Die Witterung war kalt, doch ertr?glich, die Schlittenbahn meist gut gewesen. Die Landschaft zeigte ?berall den Character des Nordens. Manche Gegenden waren mit Waldung bedeckt, andere so sehr von Holz entbl?st, da? die Einwohner zur Heitzung und zum Kochen sich des Strohes bedienen mu?ten. Nirgends trug die Natur das Gebilde einer Landschaft, wie man sie in Deutschland findet, aller Orten war das Land h?chst einf?rmig. Selbst die Th?ler, in denen B?che und Fl?sse ihren Lauf haben, erscheinen durchg?ngig sich gleich, mit einem Worte langweilig.
In Bialystok trafen wir zu unserer h?chsten Freude den w?rttembergischen Major v[on] Seybothen, der die // S. 169// zur?ckkehrenden W?rttemberger von der russischen Regierung zu ?bernehmen, und den Kriegs-Commiss?r Ruoff, der sie mit Geld zu versehen hatte. Nun erst hatten wir uns wieder als freye Leute zu beobachten. Von der Monatsgage, die jeder von uns zum Voraus erhielt, und den Geldern, die wir noch von Ruoff aufnahmen, verschafften wir uns die nothwenigsten Kleidungsst?cke, und von dem Ueberrest ward ein guter Theil verwendet f?r die lang entbehrten Gen?sse, f?r eine gute Mahlzeit und einen t?chtigen Trunk. Hier in diesem Orte erhielt ich vom Regimentsarzt Pommer eine Arzney, die mich endlich von dem so langwierigen Uebel der Diarrh?e, vollst?ndig befreyte. Der Major v[on] Seybothen sagte mir, er habe besondern Auftrag vom K?nig, ?ber mich Nachrichten einzuziehen, weil Ger?chte nach W?rttemberg gekommen seyen, denen zu Folge ich bey der deutschrussischen Legion Dienste genommen h?tte, da? er erfreut sey, diese Ger?chte durch meine Ankunft widerlegt zu sehen, und da? er hievon alsbald Anzeige nach Stuttgart machen werde, ?brigens sey ich nach meiner Gefangennehmung dem 5.ten Reiterregiment{749} zugetheilt worden.
In Bialystok dauerte unser Aufenthalt acht Tage, w?hrend deren wir uns von den seitherigen M?hseligkeiten wieder einigermasen erholten, doch war die Zeit zu kurz, // S. 170// als da? sie uns etwas mehr als eine schwache St?rkung f?r die bevorstehenden Strapatzen h?tte gew?hren k?nnen.
Die Stadt hat eine artige Lage, und zum Theil gut gebaute H?user, die der Zeit der preussischen Herrschaft ihre Entstehung zu danken haben. Die Wirthsh?user sind nicht schlecht zu nennen, und mit diesen hatten wir nat?rlich die genaueste Bekanntschaft gemacht, w?hrend wir uns um das ?brige Leben und Treiben nicht k?mmerten.
Von dem Major v[on] Seybothen wurde uns die Marschroute vorgezeichnet, die wir bis nach Ludwigsburg zu halten hatten. Unsere Reise sollte mit Vorspannspferden zu Schlitten oder Wagen geschehen, und ?berall sollten wir freyes Quartier und Verk?stigung finden, eine Einrichtung, die der Soldat schon an und f?r sich gut hei?t, die uns aber insbesondere noch darum h?chst willkommen war, weil wir bey unseren geringen{750} Geldmitteln sonst keine M?glichkeit vor uns gesehen h?tten, den gr?sten Theil des weiten Weges anders als bettelnd zur?ckzulegen. Von Rastt?gen{751} war nat?rlicherweise keine Rede mehr, im Gegentheil war es der Wille unsers K?nigs, da? wir unsere Heimkehr m?glichst beschleunigen sollten. Unser aller W?nsche stimmten mit diesem Befehle ?berein, und an uns lag daher die Schuld nicht, wenn wir dennoch einmal l?nger als Eine Nacht in einem und demselben Orte verweilten. Indessen war leicht vorauszusehen, da? unsere Reise, bis // S. 171// wir die deutsche Grenze erreicht h?tten, minder schnell vor sich gehen, und mache Hindernisse in der Ungef?lligkeit der russischen Commandanten, so wie in dem ?beln Willen der Bewohner des Herzogthums Warschau, die die verb?ndeten Ru?lands nun als ihre Feinde betrachteten, finden w?rde.
Die uns vorgezeichnete Reiseroute fiel gr?stentheils in diejenigen Stra?en, die ich schon fr?her als Gefangener, oder auf der R?ckkehr aus dem Feldzuge von 1812. passirt hatte, daher enthalte ich mich, bekannte Dinge zu wiederholen, und beschr?nke mich haupts?chlich darauf, unsere Begegnisse auf der Reise, so weit sie von einigem Interesse sind, zu erz?hlen.
Nachdem in Bialystok der Oberst v[on] Seeger{752} {753} und der Hauptmann v[on] Sonntag223 sich mit uns vereinigt hatten, verlie?en wir unter Anf?hrung des ersteren am 24.ten Febr[uar] diese Stadt auf der Strasse nach Plozk, erreichten noch am nemlichen Tage Tykoczyn, die erste Stadt im Herzogthum Warschau, und auf einer Reise von weiteren 4. Tagen kamen wir ?ber Lomza, Ostrolenka und Pultusk am 28.ten in Plozk an, ohne da? uns besondere Abentheuer aufgestossen w?ren. Hier rasteten wir wegen Mangels an Vorspann einen Tag, und giengen am 2. M?rz ?ber die Weichsel gegen Gumin hin. Auf diesem Wege verloren Butsch und ich mit unsern schlechten Pferden, und da unser Fuhrmann des Weges unkundig war, unsere Reisegef?hrten, und // S. 172// erst am 3.ten M?rz gelang es uns, nachdem wir zu schnellerem Fortkommen 2. Stationen mit Postpferden gefahren, und auf dieser Fahrt Hals und Bein daran gesetzt hatten, sie in Kalish wieder einzuholen Dieses Misgeschick f?hrte ein zweytes herbey. Als wir nehmlich zu den Thoren dieser Stadt einfuhren, wurden wir vom wachhabenden Officier angehalten, geradezu f?r franz?sische Kriegsgefangene, die zu entweichen im Begriff waren, erkl?rt, und in die Wachstube gef?hrt, wo wir mit Schm?hungen ?berh?uft wurden. Nach langem Wortwechsel wurden wir endlich unter Bedeckung zum Stadt-Commandanten gef?hrt, und von diesem nach kurzer Untersuchung freygesprochen. Die Folge dieses unangenehmen Vorfalls war, da? wir in der sp?ten Nachtzeit kein Quartier mehr erhalten konnten, sondern eine Unterkunft in einem Wirthshause suchen mu?ten. Gl?cklicherweise geriethen wir in das Hotel de Pologne, dessen Eigenth?mer, Herr Woelfel aus Stuttgart geb?rtig, uns nicht nur gef?llig aufnahm, sondern uns auch bey der Zeche als Landsleute ber?cksichtigte. Tags darauf erhielten wir Quartier bey einem artigen Mann, Namens Meyer, wo ich das erstemal
wieder nach langer Zeit meine Nachtruhe in einem Federbette hielt. Am 5. M?rz vor unserer Weiterreise bewirthete uns alle Herr Woelfel noch mit Gl?hwein // S. 173// und anderem edlen Getr?nke. Jenseits Ostrowo widerfuhr, wie fr?her dem Hauptmann v[on] Butsch und mir, nun der ganzen Reisegesellschaft das Ungl?ck, die Strasse zu verlieren, und in ein Dorf zu kommen, wo russische Infanterie lag, die in den gleichen Irrthum verfiel, wie der wachhabende Officier am Thore von Kalish. Da sich diese Leute eines bessern nicht belehren lassen wollten, um so weniger, als der Oberst v[on] Seeger sich sehr barsch gegen sie anlie?, so wurden wir endlich auf unser Begehren, unter starker Bedeckung und unter vielen Verh?hnungen und Beschimpfungen, nach Przygoczkich, einem sch?nen — dem F?rsten v[on] Radzivil geh?rigen Gute, zu einem h?heren Officier geschleppt. Aber beinahe w?ren wir aus dem Regen unter die Dachtraufe gekommen. Der Russe rechnete uns die S?belhiebe, die der Oberst v[on] Seeger unter den Soldaten freigebig gespendet hatte, hoch an, und drohte, uns in Fesseln nach Kalish zur?ckzuschicken. Unser F?hrer erwiederte jedoch die Drohungen ebenso lebhaft, und zulezt wurde Friede unter uns geschlossen, wobey wir erfuhren, da? die Soldaten uns ruhig unseres Weges w?rden haben ziehen lassen, wenn wir einige Freygebigkeit gegen sie gezeigt h?tten. Indessen war die Erbitterung der Soldaten gegen uns auf einen Grad gestiegen, der uns das Schlimmste bef?rchten lie?, und den russischen Commandanten zu dem Entschl?sse brachte, // S. 174// den anderen Morgen seine Leute zu einer Musterung zu versammeln, damit wir in der Zwischenzeit unsere Reise fortsetzen, und aus dem Bereiche der w?thenden Soldateska kommen k?nnten. Mit den russischen Officieren nahmen wir nun friedlich ein gutes Nachtmahl ein, und brachten die Nacht in dem Schlosse zu. Tags darauf erreichten wir die schlesische Grenze.
Auf dem Wege von Bialystok bis an die Grenze Schlesiens war es uns ergangen, wie wir vorausgesehen hatten. Die russischen Commandanten in Pohlen zeigen nicht mehr Eifer, uns schnell weiter zu bef?rdern, als es bey denen in Ru?land selbst der Fall gewesen war. Manchen war ein W?rttemberg auch nicht dem Namen nach bekannt, andere wu?ten wenigstens nicht, wo es gelegen sey, alle aber waren der Meinung, da? es wohl ein kleines Land seyn m?sse, weil sie wenig oder gar nicht davon sprechen geh?rt h?tten, da? daher Ru?land auf das B?ndni? mit einer so schwachen Macht keinen gro?en Werth setzen, und es ihnen mithin keine grose Verantwortung zuziehen k?nne, wenn sie die Reise unseres kleinen Haufens nicht so sehr beschleunigten, als wir w?nschten. Ueberdie? war es den Russen immer ein Stein des Anstosses, da? wir fr?her gegen sie gefochten, und uns erst dann mit ihnen vereinigt hatten, als das Gl?ck ihren Waffen l?chelte.
Die polnischen Beh?rden zeigten sich, wie nat?rlich, noch gleichg?ltiger. // S. 175// Sie konnten uns nicht mit g?nstigem Auge zur?ckkehren sehen, da sie unsere Bestimmung, die Zahl ihrer Feinde zu vermehren, wohl kannten. Unter den Einwohnern war eine allgemeine Niedergeschlagenheit ?ber das Ungl?ck der franz?sischen Waffen sichtbar, und die nemlichen Personen, die uns als Gefangene fr?her zuvorkommend aufgenommen hatten, liessen nun nicht nur Gleichg?ltigkeit, sondern Ha? gegen uns blicken, und reichten uns unsere Bed?rfnisse so schlecht und in so geringer Quantit?t als m?glich. Aber freilich hatte auch das Herzogthum durch den Krieg uns?glich gelitten, und wenn es fr?her schon arm war, so war es jetzt im eigentlichen Sinne des Wortes an den Bettelstab gebracht. Selbst die Juden vermochten, trotz aller Th?tigkeit, nicht mehr den t?glichen Unterhalt und die schweren Pr?stationen224, die ihnen auferlegt waren, zu gewinnen, und seufzten nach Erl?sung, nur erwarteten sie diese nicht von den Franzosen, gegen die ihnen ihr Gewissen viele Thaten vorwarf, welche keine Anspr?che auf Schonung und Milde machen durften.
Wir waren froh, als wir das ungl?ckliche Polen verlie?en, und wieder deutschen Boden betraten. Noch an demselben Tage, an welchem wir das Herzogthum Warschau verlassen hatten, giengen wir bey Steinau ?ber die Oder, und unsere Reise durch Schlesien beschleunigten wir so sehr als m?glich, // S. 176// weil wir, wenn gleich jetzt Befreundete dennoch keine grossen Hoffnungen auf die Schlesier setzten, und dazu auch um so weniger ein Recht hatten, als w?hrend des Waffenstillstandes im Jahr 1813. das w?rttemberg'sche Armeecorps in Schlesen cantonniert hatte, und bey aller M?sigung gleichwohl von den f?r ihre Befreyung enthusiamirten Einwohnern tief geha?t wurde. Ich mu? jedoch zur Ehre der Schlesier bekennen, da? sie sich — obwohl kalt, doch nicht ungef?llig gegen uns bezeigten, und sich aller beleidigenden Aeusserungen enthielten. Der Wunsch, den sie hin und da laut werden Hessen, es m?chten die S?ddeutschen gleich zu Anfang des Jahres 1813. auf die Seite Preussens und Deutschlands getreten seyn, regte auch uns, wie billig, lebhaft an. Auf deutschem Boden angekommen, ben?tzte ich die erste M?sse, die mir verg?nnt ward, um meiner Mutter, die seit meiner Gefangennehmung nichts mehr von mir erfahren hatte, Nachricht von meinem Leben und Wohlbefinden zu geben. Es war die? am 7. M?rz in dem St?dtchen L?ben. Ueber Haynau, Bunzlau und Naumburg kamen wir am 10.ten M?rz im K?nigreich Sachsen an.
Zu Goerlitz hielten wir das erste Nachtquartier in Sachsen, den folgenden Tag passirten wir die gewerbsame wohlhabende Stadt Bautzen, und am 12.ten trafen wir in Dresden ein.
Von Lauban an waren die Verheerungen des Kriegs von 1813. sichtbar. Ueberall gewahrte man die Brandst?tten einzelner // S. 177// H?user und ganzer Weiler und D?rfer. Hie und da fieng ein Haus an, aus seiner Asche zu erstehen. Die Stadt Bautzen selbst hatte durch die Schlacht vom 19. May 1813.{754} bedeutend gelitten, und zeigte noch die Ruinen eines grosen Brandes. Die Stadt Bischoffswerda, die damals vollst?ndig in Asche verwandelt worden war, lag noch in Tr?mmern. Die Einwohner waren niedergeschlagen und muthlos, der Krieg hatte zu lange den Schauplatz bey ihnen aufgeschlagen, und zu grausam in Wohnungen und Feldern gew?thet, als da? der Muth der Bewohner nicht auf lange h?tte gebrochen werden sollen, und noch dr?ckten sie die Lasten der vielen Durchm?rsche und Einquartierungen. Uebrigens werden die guten Lausitzer bey ihrem ergiebigen Boden, mit ihrem unausgesetzten Flei?e, unter ihrer milden Regierung, die Wunden des Krieges b?lder geheilt haben, als manche andere weniger gesegnete Gegenden, in denen der Krieg minder furchtbar seine Geissel geschwungen hatte. Wir selbst hatten von den Lausitzern die Bereitwilligkeit zu r?hmen, mit der sie uns entgegenkamen, und unsere bescheidenen W?nsche immer mehr als erf?llten.
Am 12. M?rz Nachmittags fuhren wir auf dem romantischen Wege von Stolpen herkommend, ?ber die herrliche Elbebr?cke zu den Thoren Dresdens ein. Alle Befestigungen, die die Franzosen im Jahr 1813. hier errichtet hatten, waren noch vorhanden, und im besten Stande erhalten. Die Residenzstadt // S. 178// des K?nigs von Sachsen war in eine f?rmliche, starke Festung umgeschaffen. Die Besatzung bestand aus 12.-15,000. Russen, die bey den B?rgern einquartiert waren, und deren Drangsale sowohl durch den Aufwand, den sie verursachten, als durch ihr Benehmen nicht wenig vermehrten; der gesprengte Theil der Elbebr?cke war durch h?lzerne Joche so gut als m?glich reparirt. Die herrliche Frauenkirche war ein Magazin geworden. Der K?nig{755} war nach der Schlacht von Leipzig{756} nicht in seine Residenz zur?ckgekehrt, er ward als Gefangener gehalten, an seiner Statt verwaltete der russische Gouverneur Dresdens, F?rst Repnin228, das Land. Auf allen Gesichtern malte sich Niedergeschlagenheit und Trauer. Wir nahmen herzlichen Antheil an den Leiden der guten Sachsen, und wenn wir es h?tten vermeiden k?nnen, und wenn unsere Geldmittel es erlaubt h?tten, so w?rden wir alle weder in der Lausitz noch hier den Bewohnern durch unsere Einquartierung zur Last gefallen seyn. In Dresden bestritt ich selbst einen Theil der Kosten, die ich in meinem Quartier, bey einem armen, mit Kindern reich gesegneten Kanzleybeamten verursachte.
In Dresden verweilten wir unter diesen Umst?nden nicht lange. Am folgenden Tage gegen die Mittagszeit setzten wir unsere Reise fort, und gelangten ?ber Freyberg am sp?ten Abend nach Oederan. —
Seit unserer Abreise von Bialystok war immer Einer von uns vorausgegangen, um Quartier und Vorspann f?r die Gesellschaft // S. 179// zu besorgen. Da dieses Gesch?ft mit vieler Beschwerde und M?he verbunden war, so wollte sich ihm Keiner lange unterziehen, und so kam denn auch an mich die Reihe. Ich rei?te also von Oederan voraus, und behielt dieses Gesch?ft ?ber Chemnitz, Zwickau und Plauen, ?ber Hof, der ersten bayrischen Stadt, und M?nchberg bis Bayreuth, wo wir nach dreyt?giger Reise, am 16.ten M?rz eintrafen. Das Erzgeb?rge und das Voigtland boten zwar einen mindertraurigen Anblick dar, als der Theil von Sachsen, den wir vorher durchreist hatten, doch hatte auch hier ?berall der grause{757} Krieg seine verheerenden Spuren zur?ckgelassen. Aber noch schwerer, als dieses Ungeth?m lastete auf jenen beiden Landstrichen die Stockung des Handels und der Gewerbe, und Schaaren von Handwerkern und Fabrikarbeitern waren jetzt, und noch f?r l?ngere Zeit brodlos. Eilends suchten wir diesen Jammerscenen zu entgehen, nirgends machten wir an unsere Quartiertr?ger die geringsten Anforderungen, ?berall begn?gten wir uns mit dem, was der gute Wille und die Armuth der Bewohner uns bot230.
Mit unserem Eintritt in das bayrische Gebiet ver?nderte sich die Scene. Hier hatte der Krieg nicht gew?thet, den Wohlstand des Landes nicht zerst?rt, sein Donner war nur von der Ferne geh?rt worden. Freilich litt der Einwohner auch unter dem allgemeinen Drucke des Krieges und der erh?hten Abgaben, aber sein Hauswesen blieb ihm unversehrt, und vermehrte Th?tigkeit // S. 180// und Sparsamkeit ersetzte ihm wieder die Opfer, die er dem Wohle seines Landes zu bringen hatte. Unsere Bewirthung ward reichlicher, und trotz der Strapazen der Reise fiengen unsere k?rperlichen Kr?fte an, zur?ckzukehren.
In Hof hatten wir unser erstes Quartier in Bayern, und am 16. M?rz giengen wir ?ber M?nchberg nach Bayreuth, eine betr?chtliche Stadt. Bis hieher waren wir von Czernigow an, zu Schlitten gekommen. Nun trat Thauwetter ein, und der Fr?hling nahte sich schnell und heiter. Unsere Brust erweiterte sich, das Eis, das unsere Gef?hle bisher umfangen hielt, schmolz, die Gleichg?ltigkeit wich dem r?ckkehrenden Frohsinn, der Lust zur Mitteilung, jetzt erst erwachte wieder die volle Liebe zu den Verwandten, zur Heimath.
Seit l?ngerer Zeit, und noch vor der Abreise von Czernigow hatte ich eine offene Wunde am linken Fu?e, die Strapatzen der Reise hatten dieselbe nicht nur verschlimmert, sondern viele ?hnliche Wunden an beiden F?ssen erzeugt. Darum ward ich in Bayreuth vom Dienste des Quartiermachers enthoben. An meine Stelle trat der Hauptmann v[on] Br...{758}, er fand aber den Dienst zu beschwerlich, und setzte von Bamberg aus, mit unseren P?ssen und Vorspannspatenten in der Tasche, aus eigener Macht, seine Reise nach Stuttgart fort, und ?berlie? es uns, f?r unser Weiterkommen selbst zu sorgen. // S. 181//
So unangenehm dieser Schritt das Herrn v[on] Br... f?r uns war, so erlitt bey der geringen Entfernung vom Vaterlande, und unserer Vorsicht, der Reiseroute des Entflohenen zu folgen, unsere Reise doch keine erhebliche Verz?gerung.
Am 17.ten M?rz langten wir in Bamberg an. Es ist die? eine alte, aber wohlgebaute und gut bev?lkerte Stadt an der Rednitz, ?ber die innerhalb der Mauern eine sehenswerthe steinerne Br?cke f?hrt. Am 18.ten giengen wir, da der Weg ?ber W?rzburg von den Franzosen, welche die Feste Marienberg noch besetzt hielten, gesperrt war, nach Kitzingen, und den 19.ten fuhren wir das herrliche Maynthal hinab nach Ochsenfurt, wo wir links nach Mergentheim uns wandten.
Im Bayrischen entsprach unsere Aufnahme aller Orten jeder Erwartung, und die Bewohner waren uns befreundeter, als im n?rdlichen Deutschland.
Den 19.ten M?rz Abends trafen wir in Mergentheim ein. Unsere Freude ?ber unsere gl?ckliche Ankunft im Vaterlande war unbeschreiblich. Die Beh?rden sorgten bestens f?r unsere Einquartierung, die einzelnen Beamten und Honoratioren waren aber232 auch nicht minder eifrig, so viel als m?glich von unsern Schicksalen zu vernehmen. Mit Bereitwilligkeit entsprachen wir ihrem Wunsche, und den ganzen Abend und bis tief in die Nacht hinein waren wir in den wenigen Wirthsh?usern, in denen wir unser // S. 182// Quartier hatten, von einer Menge von aufmerksamen Zuh?rern umlagert. Den Stadt-Commandant hatte den Befehl, uns nach Ludwigsburg zu weisen. Tags darauf giengen wir ?ber K?nzelsau bis Oehringen. Hier erhielt ich von einem Bekannten die erfreuliche Nachricht, da? mir das Ritterkreuz des Milit?rverdienstordens ertheilt worden sey.
Am 21.ten M?rz kamen wir ?ber Weinsberg und Heilbronn in Ludwigsburg an. Unter dem Zusammenlaufe vieler Menschen fuhren wir auf dem Marktplatze auf, um die Befehle des Gouverneurs zu erwarten. W?hrend dessen war von einem der Umstehenden nach mir gefragt worden, der, als er h?rte, da? ich unter der Zahl der Angekommenen sey, sich sogleich entfernte, und bald darauf mir meinen ?lteren Bruder zuf?hrte. Mit inniger Freude hie?en wir uns willkommen, und nun erst, als meine Augen einen Bruder wieder erblickt hatten, f?hlte ich mich wieder heimisch im Vaterlande. In Ludwigsburg erhielten wir Nachtquartier, und am folgenden Morgen begaben wir uns nach Stuttgart. In unserem Reiseaufzuge, schmutzig und abgerissen, stellten wir uns dem General v[on] Dillen vor, der sich ?ber unser Aussehen nicht weniger wunderte, und entsetzte, als alle, die uns bis daher gesehen hatten. Jedem von uns ward hier seine Bestimmung bekannt gemacht. Ich wurde bey dem Leibcavallerieregiment, das in Ludwigsburg //S. 183// garnisonirte eingetheilt, erhielt zu meiner Equipirung einen Beytrag von 20. Louisdor, und das Ordenskreutz ward mir zugestellt. Bey meinen hiesigen Verwandten erregte meine Ankunft grose Freude. Am 23. M?rz begab ich mich zu meinem neuen Regiment? nach Ludwigsburg.
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