Neuntes Capitel.

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In Smolensk traf ich mehrere Offiziere meines{672} bald nach dem Abz?ge der // S. 64// Armee aus Moskau g?nzlich aufgel?sten Regiments, an die ich mich anschlo?. Wir hatten uns zusammen in ein leeres Haus einquartirt. Die Heizung lieferten benachbarte H?user, die abgebrochen wurden. Die Lebensmittel wogen wir beinahe mit Gold auf. Hunger herrschte unter uns, und Kummer ?ber unser ferneres Schicksal. Von unsern Pferden, die kein Obdach fanden, giengen einige durch die K?lte und Hunger zu Grunde, und andere wurden uns bey Nacht gestohlen, wogegen denn freilich unsere Leute Repressalien brauchten. Ich selbst verlor durch Frost und Hunger von 4. Pferden 2. Eine gute Trotschke105, die ich, als sie von ihrem Besitzer bey Wiasma verlassen wurde, mit meinen Pferden bespannt hatte, mu?te ich wegen Kraftlosigkeit derselben, und bey der Unm?glichkeit, sie in dem allgemeinen Gedr?nge weiter zu bringen, schon 3. Tagm?rsche vor Smolensk wieder stehen lassen. Vier Tage blieben wir starr vor K?lte und gedachten die Stadt nicht eher zu verlassen, als bis der Kaiser abzog. Mit der Truppe, die er zu seiner Begleitung erw?hlte, glaubten wir am sichersten unsern

Weg fortsetzen zu k?nnen, und wenn wir auch gerade hier am wenigsten auf Lebensmittel rechnen durften, so waren wir schon entschlossen, im schlimmsten Falle uns mit Pferdefleisch zu begn?gen.

Die Stadt Smolensk bot nur noch einen Haufen von Tr?mmern dar. Keine Nacht vergieng, ohne da? mehrere H?user in Rauch aufgiengen. Nicht Ein Einwohner war in der Stadt zu finden, alle hatten ihrem Wohnorte // S. 65// den R?cken gekehrt. Uebrigens ist die Lage der Stadt auf dem Berge und am Abhange des Berges gegen den Dnieper hin romantisch, und auf dem entgegen gesetzten Ufer erhoben sich die Berge in gleicher H?he gegen den Flu? hin mit Wohnungen bebaut, in geringer Entfernung von tiefen Schluchten durchschnitten.

In dieser Stadt, hatte es fr?her geheissen, w?rden wir Lebensmittel in F?lle, und was ebenso Noth that, ein frisches Corps von 40,000. Mann finden. Grausam fanden wir uns get?uscht. Nicht Ein t?chtiges Regiment war da, nur von Ueberbleibseln der grosen Armee war die Stadt w?hrend unseres dortigen Aufenthalts bev?lkert.

Der schrecklichen K?lte wegen verschoben wir unsere Abreise von Smolensk so lange als m?glich. Endlich am 13. November, den Tag nach dem Abmarsch der Garden des Kaisers, traten auch wir den weiteren R?ckzug an.{673} Der erste Tagmarsch gieng ohne Unfall vor?ber. Der zweite war minder gl?cklich. Grose Schaaren von Kosacken begleiteten die unordentliche Masse zu beiden Seiten und ben?tzten jede Gelegenheit, die das Terrain darbot, uns mit Kanonenfeuer zu begr??en, und durch Angriffe uns zu schw?chen. In Krasnoy trafen wir das kaiserliche Hauptquartier, das in der Nacht vom 15. auf den 16.ten von den Russen heftig, jedoch ohne bedeutenden Erfolg, angegriffen wurde, w?hrend wir 1/2. Stunde vorw?rts bey Sarokino in banger Erwartung des Ausgangs bivouacquirten. Den 16. und 17. zogen wir durch Liady und Dumbrowna, und kamen am 18. ?ber den Dnieper nach Orsza. // S. 66// Nach einem Ruhetag verfolgten wir, abermals von Kosaken heftig gedr?ngt, die Stra?e nach Minsk, und kamen den 22. in Bohr an, wo uns wiederum ein Ruhetag verg?nnt war. Drey weitere Tagm?rsche f?hrten uns — am lezten, durch Borisow, in welcher Stadt wir die Stra?e nach Minsk verlie?en, und die gegen Wilna einschlugen, an die Ufer der Beresina, und hier schlugen wir in einem 1/2. Stunde vom Flusse entfernten D?rfchen unser Nachtquartier auf.

Die Tr?mmer der Armee zogen, jeder Einzelne nach seinem Belieben, auf der Stra?e daher. Manche suchten auf Nebenwegen Lebensmittel zu finden, einigen gl?ckte es, die meisten b??ten den Versuch mit Tod oder

Gefangenschaft. Bey Krasnoi hatten wir den noch kampff?higen Theil der Armee ein- und ?berholt. In Orsza waren wir wieder mitten in der Armee, ebenso in Bobr. An der Beresina dr?ngte sich abermals alles zusammen. Tag f?r Tag hatten die noch vorhandenen Regimenter mit dem Feinde zu k?mpfen, st?ndlich hatte die Arrieregarde die nachdr?ngenden Russen abzuwehren. Immer kleiner wurde der streitbare Theil der Armee. In Minsk hatte man das Ziel des R?ckzuges zu finden gehofft, aber, ehe wir diese Stadt erreichen konnten, hatte sie der Admiral Tchitszakoff{674} genommen, und uns nach der Stra?e von Wilna hingedr?ngt. Nun baute man die Hoffnung auf die leztere Stadt.

Von Smolensk an hatte ich mit allen erdenklichen Gefahren, M?hseligkeiten und Entbehrungen zu k?mpfen. H?ufig war ich w?hrend des Marsches // S. 67// dem feindlichen Gewehr- und Kanonenfeuer ausgesetzt, einmal nahe davor, gefangen zu werden, in Orsza auf dem Puncte, in einem Hause zu verbrennen, und Tags vorher in Gefahr, im Dnieper zu ertrinken. Beym Abmarsche von Smolensk noch beritten, verlor ich am 16.ten in Liady mein gutes Kosakenpferd, das nicht weiter zu gehen vermochte. Meine Gef?hrten, die noch besser beritten waren, trennten sich von mir; und ich zog allein die Stra?e dahin. In Orsza hatte ich das Gl?ck, 1. paar neue Bundstiefel zu erhalten, allein am folgenden Tag wurde mein leztes Pferd, ein Konji, mit meiner Armatur, mit meinem Mantel, mit meinen Lebensmitteln, beladen, nebst meinem J?ger gefangen.

Schon seit mehreren Tagen hatte mich das Pferd nicht mehr zu tragen vermocht. Nun war ich des besten Schutzmittels gegen die K?lte, meines Mantels beraubt. In Bobr erhielt ich zwar von einem w?rttembergischen Officier, der mich nicht kannte, auf mein ehrliches Gesicht ein Anlehen von 2. Ducaten, und nachher noch 6. Ducaten aus der w?rttembergischen Kriegs-Casse, allein das Geld sch?zte weder gegen Frost noch Hunger. Am 24.ten ward mir der wunderliche, und unter damaligen Umst?nden ganz unausf?hrbare Auftrag, die einzeln ziehenden J?ger des Regiments zu sammeln, und zusammen zu halten. Wohl gl?ckte es mir, der ich zu Fu?e war, manchen J?ger meinem Rufe folgen zu machen, so lange es Tag war, aber Abends, wenn das Nachtlager aufgeschlagen werden sollte, und ich selbst an allem Mangel leidend, keinem einen Bissen Brod, noch sonst // S. 68// etwas bieten konnte, zerstoben sie nach allen Richtungen. Ob ich gleich wu?te, da? mir am andern Tage, wenn mir etwa der Major begegnete, ein Verweis von ihm bevorstand, so konnte und wollte ich dennoch nicht einmal einen Versuch machen, durch Befehl die Hungrigen bey mir zu halten. Vom 24.ten auf den 25.ten ?bernachtete ich in einem Heuschober, in den ich mich zum Schutz gegen die K?lte tief hineingrub. Die folgende Nacht brachte ich im Walde auf dem blo?en Schnee, ohne Feuer, zu, und wenn ich mich nicht von Zeit zu Zeit aufgerafft h?tte, um mich durch Hin- und Herlaufen wieder etwas zu erw?rmen, so w?re ich unfehlbar ein Opfer des Frostes geworden. Tags darauf wollte mir aber das Gl?ck so wohl, da? ich einen mit 2. Schaaf-Pelzen versehenen Franzosen traf, der mir einen davon f?r 3. Ducaten abtrat; dieser gl?ckliche Zufall gab mir neue Kr?fte, und rascher setzte ich meinen Weg fort. Das Gl?ck wollte mir am n?chsten Tage noch besser, denn als ich mich einem D?rfchen n?herte, begegnete mir ein w?rttembergischer Officier, der mich mit der unsch?tzbaren Nachricht erfreute, da? dort mein Bedienter mit 2. guten Pferden und meiner Bagage so eben angekommen sey und nach mir frage. Eilenden Schrittes begab ich mich dahin, und fand es, wie der Officier gesagt hatte. Eine gr?sere Freude, als hier, habe ich in meinem Leben wohl nie empfunden. Nun war ich wieder gut gekleidet, und gut beritten, ich f?rchtete die K?lte nicht mehr. Sogleich setzte ich mich in Marsch, obgleich hungrig, doch wieder erw?rmt, und Abends // S. 69// suchte ich ein Nachtlager in einem Dorfe, wo ich in einem Hause beysammen einen Unter-Officier und etwa 15. J?ger meines Regiments traf, die gut beritten, wohl bewaffnet, bis dahin eine Seitenstra?e gezogen, und nun wieder auf die Hauptstra?e gesto?en waren. Sie hatten Ueberflu? an Schweinsfleisch und Honig, und ich war ihnen ein geehrter Gast. Nicht lange lie? ich mir zusprechen, hastig griff ich nach dem dargebotenen Fleisch, stillte den — seit beinahe 4. Wochen nicht mehr v?llig gestillten Hunger g?nzlich.{675} Hier an diesem Abend zog ich mir durch den unvorsichtigen Genu? des Schweinsfleisches und nachher von kaltem Wasser, einen Durchfall zu, der mich erst nach 5/4. Jahren wieder ganz verlie?. Wohl w?re es mir besser gewesen, Hunger zu leiden, und wohl sah ich voraus, da? ich mir Schaden thun werde, allein so schlimme Folgen bef?rchtete ich doch nicht, und ich bin nicht gewi?, ob mich, wenn ich sie voraus, ja, wenn ich gewu?t h?tte, da? es mir unmittelbar den Tod bringe, ob{676} mich die?, sage ich, abgehalten haben w?rde, mich wieder einmal satt zu essen, so sehr war ich ausgehungert. Am folgenden Tag gelangte ich mit meinen J?gern in das D?rfchen nahe an der Beresina, von wo wir den n?chsten Morgen ?ber die Br?cke zu gehen gedachten. — Beym Abmarsch von Smolensk war ich nur auf 1. Tag mit Lebensmitteln, d[as] h[ei?t] mit etwas Mehl versehen, schon am folgenden Tag war ich gen?thigt, Pferdefleisch zu speisen, und wenn ich auch hin und wieder noch bessere // S. 70/ Nahrung fand, so war sie nur das Ueberbleibsel von andern, die mir aus Mitleid von ihrem wenigen etwas weniges boten, aber nie reichte es hin, mich zu s?ttigen. Selbst Pferdefleisch konnte ich nicht hinl?nglich bekommen, es waren immer der Bewerber um das elende Gericht zu viele. Unter diesen Umst?nden war der Hei?hunger sehr nat?rlich, mit dem ich ?ber das angebotene Schweinsfleisch herfiel. — Die Witterung war w?hrend des Zuges von Smolensk bis zur Beresina sehr ver?nderlich. Als wir jene Stadt verlie?en, war die K?lte noch grimmig aber schon Abends wurde die Luft milder, und es trat ein Thauwetter ein, das einige Tage w?hrte, und von heftigen St?rmen begleitet war. So bald aber die Luft wieder ruhiger ward, und der Himmel sich aufkl?rte, so kehrte die K?lte zur?ck, wenn gleich in geringerem Grade, als bey Smolensk. Nach 24. Stunden minderte sich die K?lte abermals, und blieb ertr?glich bis zu unserer Ankunft an der Beresina.

Die Wege waren meistens sehr schlecht, und vom Fu?g?nger m?hsam zu begehen. Die vielen Defileen ersch?pften die Kr?fte der Pferde ebenso sehr, als der glatte Boden, und das Glatteis w?hrend des Thauwetters. Im Ganzen bot das Land weniger Schwierigkeiten dar, als zwischen Dorogobusz und Smolensk. In einigen St?dtchen waren Einwohner zur?kgeblieben. Die Mehrzahl bestand aus Juden, die aus dem Verkauf elender Nahrungsmittel, // S. 71// und dem Ankauf von Effecten{677} aller Art bedeutenden Vortheil zogen, w?hrend die christlichen Bewohner, weniger furchtsam, durch Pl?nderung oder Ermordung Einzelner, an dem ungl?cklichen Feinde sich zu r?chen suchten.

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