Zweytes Capitel.
Am 7.ten April verlie?en wir unsere Standquartiere, zogen in Parade durch Leipzig, ber?hrten am 9.ten das Schlachtfeld von Torgau, das ich freilich gerne n?her besichtigt h?tte, sahen die Festung die erst im Werden war, und giengen am n?mlichen Tage ?ber die Elbe.
In Torgau hatten Verst?ndige die Haltung und den Zustand unsers Regiments bewundert. Am 10.ten kamen wir durch das artige St?dtchen Herzberg nach Frankenhayn, wo uns der Pfarrer mit manchen Anekdoten, von denen mir besonders das Examen eines Candidaten der Theologie mit Nescio; Nescis? Nescit! wohl gefiel,{595} sehr angenehm unterhielt. Den folgenden Tag in den Quartieren zu Beesdau erhielt das J?ger-Regiment Herzog Louis die Nachricht, da? es auf unmittelbaren Befehl des Kaisers Napoleon vom w?rttembergischen Corps getrennt, k?nftighin mit dem Schlesischen Ulanen - und 6.ten polnischen Husaren- // S. 10// Regiment unter dem Commando des Brigade-Generals Ornano und des Divisions-Generals Watier de S[ain]t Alphonse stehen, zu diesem Zweck unverz?glich und ohne ferneren
Ratschlag nach Frankfurt marschiren, und sich dort an das Corps dieser Generale anschlie?en soll.{596} Nach einem Marsch von etlichen Stunden durch die Lausitz, wo die wendische Sprache der Bauern mehrere Mi?verst?ndnisse veranla?te, r?ckten wir be? Kossenblatt in die Mark Brandenburg ein, wurden be? M?llrose zum leztenmale vom Kronprinzen gemustert, und kamen noch am gleichen Tage nach Frankfurt an der Oder, wo eigentlich erst unsere g?nzliche Trennung vom w?rttembergischen Corps erfolgte.
Es war allerdings eine gro?e Auszeichnung, da? vom Kaiser Napoleon unser Regiment namentlich zur Vereinigung mit der Division des Generals Watier, der den Vortrab der grosen Armee bilden sollte, bezeichnet wurde. Auch f?hlten wir dieses und sahen wohl ein, da? wir zu Erwerbung von Ruhm und Ehre ein fre?es Feld vor uns haben. In dieser Beziehung waren wir mit der Bestimmung des franz?sischen Kaisers wohl zufrieden; auf der andern Seite aber war manches gegen eine Vereinigung mit Franzosen einzuwenden; Letztere damals gew?hnt, auf die rheinischen Bundestruppen mit einem gewi?en Stolze herabzusehen, und wenn sie es litten, sie wohl auch zu mi?handeln, konnten uns manche Unannehmlichkeit zuf?gen, vor der selbst der decidirte{597} Oberste sein Regiment nicht immer zu sch?tzen // S. 11// vermochte; in jedem Fall aber, wenn wir uns mit den Franzosen auch noch so gut stellten, konnten wir auf keine Unterst?tzung be? ihnen rechnen, wie wir sie be? unserem Armeecorps h?tten fordern k?nnen, und auch gefunden h?tten; wenigstens so weit es Zeit und Umst?nde erlaubt haben w?rden. Ueberdie? fl??te uns diese Entfernung gerechte Besorgnisse wegen der k?nftigen Behandlung unserer Kranken und Verwundeten ein, da uns die Nachl??igkeit und zuweilen auch Grausamkeit, mit welcher die franz?sischen Aerzte ihre Kranken und Verwundeten zu behandeln pflegen gar wohl bekannt war. Auch war es noch unentschieden, ob wir uns mit den schlesischen Uhlanen w?rden vertragen k?nnen, ein Umstand der auf unser eigenes Schicksal von gro?em Einflu? se?n konnte.{598} Be? Erw?gung aller dieser Umst?nde konnten wir also die Freude ?ber die uns wiederfahrene Ehre leicht m?sigen, und wir w?ren, wenn wir zu w?hlen gehabt h?tten, bey unsern Landsleuten geblieben, und h?tten gerne Leid und Freude mit ihnen getheilt.
Von Leipzig bis hieher war unser Marsch durch ein minder gutes Land gegangen, die D?rfer und Wohnungen der Wenden geben keinen g?nstigen Begriff von ihrem Wohlst?nde, und das Innere ihrer H?user verr?th Armuth und Unreinlichkeit. Im Brandenburgischen waren wir sehr unwillkommene G?ste, und sehr h?ufig gab es Klagen ?ber schlechte Quartiere, die wohl nicht allein dem Mangel an gutem Willen von Seiten der Einwohner, sondern auch // S. 12// zum Theil der Mutter Natur, welche die Umgegend von Frankfurt sehr stiefm?tterlich behandelt, und sie mit einer ungeheuren Menge Sand — hie und da auch Flugsand — begabt hat, zuzuschreiben sind; besonders veranla?te der Ha? der Frankfurter gegen uns mehrere unangenehme Auftritte.
Eine der sch?nem kleineren St?dte zwischen Leipzig und Frankfurt ist L?bben von etwa 6,000. Seelen. Frankfurt geh?rt schon zu den gr?seren St?dten, wenigstens nach dem Tone, der da herrscht.{599} Die Stadt liegt hart an der Oder und eignet sich zum Handel und zur Schiffahrt, da der Flu? hier schon eine sehr betr?chtliche Breite und Tiefe hat, vortrefflich, auch mag in den Zeiten des Friedens der Verkehr in dieser Stadt gar nicht unbedeutend seyn. Hier hatte ich mehr Mu?e mich umzusehen, als in Leipzig und ich ben?zte sie auch wirklich. Von Merkw?rdigkeiten{600} sah ich zwar nichts, aber ich suchte auch keine auf; desto mehr interessierte mich das Leben und Treiben der Bewohner dieser Stadt, denn gleichwie zwischen dem Clima der Mark Brandenburg und dem des s?dlichen Deutschlands ein bedeutender Unterschied ist, so sind auch die Bewohner dieser beiden Gegenden durch Sitten und Lebensart merklich von einander unterschieden. Der Norddeutsche zeichnet sich vor dem S?ddeutschen durch eine gr?sere Abgeschliffenheit und Gewandtheit im Umg?nge aus, dagegen aber ist der S?ddeutsche gerader, offener, ehrlicher. Im Character des S?ddeutschen ist Gutm?thigkeit ein hervorstehechender Zug, w?hrend beym Norddeutschen alles andere dem eigenen Ich nachsteht. // S. 13//
Man sagt zwar, die Moralit?t sinke bey uns immer tiefer, allein sie mu? noch weit herunter kommen, bis sie auf der nemlichen Stufe, wie wenigstens in den gr?seren St?dten Norddeutschlands, steht. Es emp?rt, wenn man von Gassenjungen von 6—8. Jahren bey jedem Schritte angerufen wird, ob man nicht sch?ne Mamsells befehle. Ich glaube, wenn bey dem P?bel die Sitten-Verderbni? so gro? ist, da? sie bey dem Mittelst?nde nicht weniger gro? seyn wird, denn ich habe nicht nur Milit?rs, sondern gut gekleidete Civilisten, denen es die Gassenbuben nicht ansehen konnten, ob sie fremd oder einheimisch sind, auf obige Art anrufen h?ren. Jedoch gilt dieses nicht alleine von Frankfurt, sondern von allen gr?seren St?dten Norddeutschlands mehr oder weniger, haupts?chlich aber von solchen, welche lange Zeit fremde Soldaten, besonders Franzosen, beherbergten.
In Frankfurt stunden die Einwohner nicht an, uns einen sehr ung?nstigen Begriff von Pohlen, das wir nun zu einem Theile durchziehen sollten, zu geben, oder vielmehr geben zu wollen, denn wir zweifelten keinen Augenblick an dem Vorzug der pohlnischen vor den brandenburgischen Quartieren. Nachher erkannten wir, da? die Preussen Recht — und wir die traurigen Schilderungen nicht ganz ihrem Unmuthe gegen uns zuzuschreiben hatten. // S. 14//
Более 800 000 книг и аудиокниг! 📚
Получи 2 месяца Литрес Подписки в подарок и наслаждайся неограниченным чтением
ПОЛУЧИТЬ ПОДАРОК