2. WÜRTTEMBERG IM ZEITALTER NAPOLEONS:

Politik und Milit?r

W?rttemberg, seit 1495 Herzogtum im Heiligen R?mischen Reich deutscher Nation und traditionell Vormacht im Schw?bischen Reichskreis, z?hlte zu denjenigen deutschen Mittelstaaten, die durch die Umbr?che der napoleonischen Zeit au?erordentlich profitierten.{79} Der von 1797 bis 1816 regierende F?rst Friedrich (1754—1816) — bis 1805 als Herzog Friedrich II., dann als K?nig Friedrich I. — wechselte w?hrend seiner Regierungszeit zwei Mal das B?ndnis. Er brachte sich durch diese, von den Umst?nden weitgehend erzwungene Politik auf die Seite der jeweils sp?teren Sieger. Friedrich, der selbst unter Katharina der Gro?en einige Jahre als russischer Offizier gedient hatte und den seit der Heirat seiner Schwester Sophie Dorothee (Maria Feodorowna) mit dem sp?teren Zaren Paul I. (1777) ein sehr enges Verwandtschaftsverh?ltnis mit dem Haus Romanow verband, stand nach seinem Regierungsantritt zun?chst auf der Seite der antifranz?sischen Allianz.{80} Nach der Niederlage der zweiten Koalition im Jahr 1800 geriet das W?rttemberg in eine ?u?erst kritische Situation. Nicht zuletzt russischer Unterst?tzung war es zu danken, dass nicht nur die Existenz des Herzogtums gesichert werden konnte, sondern der Staat Friedrichs sogar gest?rkt aus dieser Lage hervorging. Durch die Mediatisierung bisher reichsunmittelbarer Reichsst?nde sowie die wenig sp?ter erfolgte S?kularisation geistlicher Staaten konnte W?rttemberg sein Territorium in den Jahren 1802/1803 um etwa 2.250 qkm vergr??ern. Die neu erworbenen Gebiete bildeten zun?chst das verfassungsrechtlich vom Herzogtum getrennte „Neuw?rttemberg“. Der vergr??erte Staat wurde zudem 1803 zum Kurf?rstentum des Heiligen R?mischen Reiches erhoben. Die erste einschneidende Wende der Au?enpolitik Friedrichs erfolgte im Oktober 1805. Zu Beginn des Dritten Koalitionskrieges wurde der w?rttembergische Herzog und Kurf?rst durch Napoleon zum Abschluss eines B?ndnisses mit Frankreich gezwungen. W?rttembergische Truppen k?mpften daraufhin in den Kriegen der Jahre 1805, 1806/1807, 1809, 1812 und 1813 auf franz?sischer Seite. Der B?ndniswechsel Friedrichs machte sich rasch bezahlt: W?rttemberg wurde wenige Wochen nach dem Sieg Napoleons in der Dreikaiserschlacht bei Austerlitz (2. Dezember 1805) aufgrund der Bestimmungen des Friedens von Pressburg zum K?nigreich erhoben. Wenige Monate sp?ter trat der s?dwestdeutsche Mittelstaat dem unter franz?sischem Protektorat stehenden Rheinbund bei, dessen Gr?ndung unmittelbarer Anlass f?r die Niederlegung der Krone des Heiligen R?mischen Reiches durch Kaiser Franz II. war. W?rttemberg profitierte wiederum durch Gebietszuw?chse: Unter anderem wurden nun das F?rstentum Hohenlohe sowie eine gr??ere Zahl oberschw?bischer Herrschaften mediatisiert. Im Anschluss an den Sieg Napoleons im Krieg gegen ?sterreich 1809 erfuhr W?rttemberg durch Grenzbereinigungen mit Bayern nochmals territoriale Erweiterungen, diesmal im Osten des Landes. Insgesamt hat sich das Territorium W?rttembergs zwischen 1802 und 1810 von 9.500 qkm auf etwa 19.500 qkm mehr als verdoppelt. Die Bev?lkerungszahl stieg von etwa 620.000 auf etwa 1,3 Millionen. Anlass f?r die zweite Wende der w?rttembergischen Politik Ende 1813 waren die franz?sischen Niederlagen im Feldzug gegen Russland 1812 sowie in der V?lkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813. W?rttemberg trat durch eine Milit?rkonvention mit Bayern vom 23. Oktober und durch einen Vertrag mit ?sterreich vom 2. November auf die Seite der Gegner Frankreichs ?ber. Durch seinen abermaligen B?ndniswechsel, der durch die bestehenden verwandtschaffliehen Bindungen nach Russland erleichtert wurde, sicherte K?nig Friedrich seinem Land langfristig die Fortexistenz. In den Verhandlungen des Wiener Kongresses 1814/15 blieben sowohl der territoriale Bestand W?rttembergs als auch der Status als K?nigreich unangetastet.

Die politische Konstitution W?rttembergs erfuhr in der Epoche Napoleons tief greifende Umw?lzungen. Herzog Friedrich, von einem autokratischen Herrschaftsverst?ndnis gepr?gt, nutzte am 30. Dezember 1805 die bevorstehende Erhebung seines Staates zum K?nigreich, um die altw?rttembergische landst?ndische Verfassung aufzuheben. Gleichzeitig wurde das bisherige Herzogtum mit den neuw?rttembergischen Gebieten vereinigt. Das K?nigreich W?rttemberg wurde unter Friedrich im Sinne des „Aufgekl?rten Absolutismus“ regiert, d. h. durch eine starke f?rstliche Spitze und die ihr verpflichtete B?rokratie. Erst in der nach-napoleonischen Zeit, im Jahr 1819, erhielt W?rttemberg unter Friedrichs Sohn und Nachfolger, K?nig Wilhelm I. (1781—1864, reg. 1816—1864), eine Verfassung und wurde damit in eine konstitutionelle Monarchie umgewandelt.

Das w?rttembergische Milit?rwesen war w?hrend der Regierungszeit Herzog bzw. K?nig Friedrichs h?ufigen und grundlegenden Reformen unterworfen.6 In den Jahren 1798 bis 1800 setzte Friedrich — zum Teil gegen den Landtag — eine Erh?hung der Mannschaftsst?rke des w?rttembergischen Heeres von etwa 3.000 auf ?ber 6.300 Mann und eine Neuaufstellung der Formationen durch. In einem f?r „Neuw?rttemberg“ g?ltigen Rekrutierungsgesetz vom 21. Februar 1803 wurde erstmals eine allgemeine Dienstpflicht der Untertanen formuliert. Der franz?sisch-w?rttembergische Allianzvertrag vom Oktober 1805 brachte eine Erh?hung der Mannschaftsst?rke und eine Neuformierung der Truppen. Anfang 1806 hielt W?rttemberg knapp 10.000 Mann unter Waffen. Bereits im Januar 1806 und nochmals im Jahr 1807 wurde das nunmehrige k?nigliche Armeekorps erneut reorganisiert. Im M?rz 1806 wurde zudem neben dem bereits seit 1704 bestehenden, kollegial organisierten Kriegsrat das Amt eines Kriegsministers geschaffen und mit Herzog Wilhelm von W?rttemberg, einem Bruder des K?nigs, besetzt. De facto spielte jedoch der Kriegsrat weiterhin die wichtigste Rolle in der Milit?rverwaltung. F?r die folgenden Entwicklungen auf dem Gebiet des Milit?rwesens waren die Verpflichtungen ma?gebend, die Friedrich beim Beitritt zum Rheinbund im Sommer 1806 eingegangen war. W?rttemberg oblag, im Kriegsfall 12.000 Mann f?r die franz?sische Armee zu stellen. Kurz nach der Gr?ndung des Rheinbundes erlie? K?nig Friedrich am 6. August 1806 {81} {82} eine Milit?rkonskriptionsordnung, in der eine Wehrdienstverpflichtung aller Untertanen festgeschrieben wurde. Die milit?rische Dienstzeit bei der Infanterie betrug acht, bei der Kavallerie zehn Jahre. Zudem war vorgesehen, die Veteranen in sogenannte Landbataillone einzugliedern. Faktisch existierten nach 1806 noch zahlreiche Ausnahmen von der allgemeinen Wehrpflicht. Diese wurden in den Jahren 1809 und 1810 erheblich eingeschr?nkt. Eine vom K?nig am 20. August 1809 erlassene Milit?rkonskriptionsordnung, ausf?hrlichere „Instruktionen zum Konskriptionsgesetz“ vom 19. September 1809 sowie einzelne Anweisungen Friedrichs weiteten die milit?rische Dienstpflicht auf nahezu alle m?nnlichen W?rttemberger aus. Die Bestimmungen Friedrichs erm?glichten eine Vermehrung der w?rttembergischen Armee auf knapp 29.000 Mann. Die Erh?hung der Mannschaftsst?rke machte bereits 1809 eine erneute Reorganisation der Streitkr?fte n?tig. Auch in den folgenden Jahren fanden Umstrukturierungen der einzelnen Truppenteile statt, deren Zahl sich jedoch nicht mehr grundlegend ?nderte. Der Kriegsrat, dessen Leitung ab 1809 faktisch der Vizepr?sident ?bernommen hatte, war seit dem 1. Juli 1811 nicht mehr kollegial, sondern monokratisch organisiert. Die tats?chliche Leitung der w?rttembergischen Milit?rverwaltung lag seit 1810 in den H?nden von Friederich August Freiherr von Phull (1767—1840), einem Cousin des fr?heren preu?ischen Generalstabschefs Karl Ludwig von Phull, der im Dezember 1806 in russische Dienste getreten war.{83} F?r den Feldzug gegen Russland stellte W?rttemberg ein Kontingent von 15.800 Mann, von denen im Winter 1812/13 nur etwa 500 Mann ins Herzogtum Warschau zur?ckkehrten. Der fast vollst?ndige Verlust des ins Feld gezogenen Armeekorps machte im Winter 1813 umfangreiche Rekrutenaushebungen sowie eine rasche Reorganisation der Armee erforderlich. Im Fr?hjahr 1813 umfasste das w?rttembergische Heer etwa 24.000 Mann, von denen 11.600 Mann ins Feld zogen, w?hrend die ?brigen 12.400 in den Garnisonen verblieben. Auch das w?rttembergische Armeekorps des Jahres 1813 erlitt schwerste Verluste. Ende Oktober 1813 langten etwa 1.200 Mann in der Heimat an. Da sich Friedrich bei seinem B?ndniswechsel auf die Seite der Gegner Napoleons Ende Oktober/ Anfang November zur Stellung gro?er Truppenkontingente (je 12.000 Mann 1813 und 1814) verpflichtet hatte, musste erneut binnen kurzer Frist eine Armee aufgebaut werden. W?rttemberg rief zudem im Januar 1814 den Landsturm auf, der das Land bei einem eventuellen franz?sischen Angriff verteidigen sollte. Die entsprechenden Planungen gingen von 100.000 bis 110.000 Mann aus und erfassten alle Waffenf?higen zwischen 18 und 60 Jahren. Aufgrund der alliierten Erfolge in Frankreich im Fr?hjahr 1814 kamen sie allerdings nicht zur Umsetzung. Weitere Reformen, die das w?rttembergische Milit?rwesen auf eine neue Grundlage stellten, folgten nach dem Sieg ?ber Frankreich im M?rz 1814 bzw. nach dem definitiven Ende der napoleonischen Herrschaft im Jahr 1815. Sie wurden zum Teil noch von K?nig Friedrich, im Wesentlichen jedoch von seinem Nachfolger Wilhelm durchgef?hrt und brachten eine Anpassung der Milit?rverwaltung und der Heeresgliederung an die Erfordernisse eines Friedensheeres. In diesem Zusammenhang wurde der Personalbestand des w?rttembergischen Heeres deutlich reduziert.