Sechstes Capitel.
In Czernigow mietheten wir nun, da man uns keine freien Quartiere geben wollte, solche f?r unser Geld. Ich fand mit dem Hauptmann v[on] Butsch und dem Kriegs-Commiss?r Krais bey einem Schuster ein heitzbares Zimmer, das mit Einschlu? des n?thigen Holzes zum Heitzen und Kochen t?glich unser h?lftiges Einkommen aufzehrte. Hier richteten wir uns m?glichst bequem ein, d. h. wir versahen unsere Liegerstatt{733} mit Heu, kauften jeder ein Trinkglas, und zusammen ein eisernes Casserol{734}, eine kupferne Caffeekanne, blecherne L?ffel, jeder 1. Messer, und 1. h?lzerne E?sch?ssel. Zur Bedienung nahmen wir 2. w?rttemberg'sche Soldaten zu uns, die sonst zu Grunde gegangen w?ren, und nun doch freye Kost hatten.
Wir brachten in Czernigow 10. Wochen, vom 11. Nov[ember] 1813. bis 19. Jan[ua]r 1814. zu. Mehrere Landsleute, der Regiments-Arzt Pommer, der Kriegs-Commiss?r Keller, der Kurier Lang, der Unterarzt Bopp, nahmen uns mit Freuden auf. Sieben Werste von der Stadt wohnte ein weiterer Landsmann, der Unterarzt Mautz, auf einem Edelsitze bey einer beg?terten // S. 153// r?stigen Wittwe, deren Arzt und Geheimer Rath er war. Unsere nur gedachten Landsleute lebten schon l?ngere Zeit in Czernigow. Die zwey ersteren wohnten im grosen Spital bey einem deutschen Apotheker, und hatten alle Ursache, mit ihrer Lage zufrieden zu seyn. Der vierte, Bopp, practicirte als Arzt, und verschaffte sich dadurch eine weit bessere Existenz, als uns anderen Nicht?rzten zu Theil ward. Alle fr?heren Ank?mmlinge aber wetteiferten mit einander in Gef?lligkeiten gegen uns. Sie machten uns mit den ?rtlichen Verh?ltnissen bekannt, und s?hnten uns, so weit es m?glich war, mit unserm Schicksale aus. Die W?rttemberger kamen regelm?sig alle Tage zusammen, theils in den Wohnungen der Einzelnen, theils in einem ?ffentlichen Wirthshause, von dem ich sp?ter noch zu reden Gelegenheit haben werde. Die Gespr?che drehten sich meistens um unsere Aussichten zur baldigen R?ckkehr ins Vaterland. Die? war der erste und ein stehender Artikel. Der n?chstfolgende, und f?r den Augenblick nicht minder wichtige, betraf unsere Subsistenz, und wenn der erstere immer freudige Gef?hle erweckte, und den Niedergeschlagenen erheiterte, so tr?bte der andere die Unterhaltung immer mehr oder weniger. Einige Bayern vergr?serten unsern Cirkel, und belebten ihn ?fters. Mit Franzosen hatten wir wenig Umgang, und wir // S. 154// wurden sichtlich von ihnen gemieden, sobald der Abfall W?rttembergs von Frankreich bekannt geworden war. Doch besuchte ich ?fters den Stallmeister Baron de Montaran, der durch Geldsendungen von Petersburg aus in eine behaglichere Lage versetzt war, und seine Geldmittel zuweilen dazu verwandte, dem Lieutenant Pechin, der noch f?r einige Zeit in Czernigow bleiben durfte, und mir ein gutes Mahl vorzusetzen. Zu Hause, wo wir die Vormittage meistens zubrachten, besch?ftigten wir uns mit verschiedenen Dingen. Das erste Gesch?ft nach dem Erwachen war eine sorgf?ltige Durchsuchung unseres Leibwei?zeuges nach dem Ungeziefer, das wir vom Transporte mitgebracht hatten, und mit aller M?he nicht g?nzlich auszurotten im Stande waren. Nach dem Fr?hst?ck, das in leichtem Caffee mit gutem Weisbrode bestand, wurden die Kleidungsst?cke ausgebessert, die W?sche geflickt, und den ?brigen Theil des Vormittags brachten wir meistens mit Lesen deutscher B?cher hin, die uns Mautz aus der Bibliothek seiner Dame verschaffte. Um 12. Uhr ward Mittag gehalten. Ein St?ck Rindfleisch zusammen mit Kartoffeln und gelben R?ben in Einem Topfe gekocht, bildete die frugale Mahlzeit Tag f?r Tag, so lange unser Aufenthalt in Czernigow w?hrte. Gleichwohl fehlte es uns nie an Anpetit{735}, und die einfache Kost entleidete uns nicht, denn sie kam nie im Ueberflu? auf den Tisch. // S. 155// Das Getr?nke bestand aus 1. Kruge Quass{736}, aus zerrissener Gerste, und Wasser mit Sauerteig bereitet. Nachmittags wurden Besuche gegeben und empfangen, Spatzierg?nge in der Stadt und der n?chsten Umgebung gemacht, und mit Einbruch der Nacht trafen wir uns regelm?sig in einem bestimmten Wirthshause, wo wir ein St?ck Brod, hin und da ein paar Eyer, und ein Glas warmen Thee mit Branntwein geno?en. Um 8. Uhr begaben wir uns nach Hause und zur Nachruhe. — Mit meiner Gesundheit gieng es w?hrend meines ganzen hiesigen Aufenthalts recht ertr?glich, und wenn ich gleich ?fters an Magenschmerzen litt, so waren sie doch gew?hnlich nur gering. Beschwerlicher als diese war mir der Stuhlgang, den ich den ganzen Winter ?ber regelm?sig um Mitternacht unter freyem Himmel verrichten mu?te.
Die Stadt Czernigow, der Sitz eines Gouvernements und eines Erzbischoffs, liegt in einer Ebene, eine Viertelstunde vom Flusse Dyssna entfernt. Die Umgebung ist einf?rmig, und bietet keine Sehensw?rdigkeiten dar. Die
Stadt ist weitl?uf{737} gebaut, und von ziemlichem Umfange. In der Mitte derselben erhebt sich das Castell, das ein Viereck mit Th?rmen an den Ecken, und mit hohen Mauern ohne Schie?scharten umgeben ist. Es dient einzig als Gef?ngni?. Am Ende der Stadt liegt ein groses Kloster, in dem der Erzbischoff seinen Sitz hat, und das blos durch einen durchbrochenen Thurm sich auszeichnet. // S. 156//
Die Gouvernementskanzley und die Spitalgeb?ude sind von Stein, alle ?brigen H?user von Holz. Selbst der Gouverneur bewohnt ein h?lzernes Geb?ude. In der N?he des Castells befindet sich der grose Marktplatz, in dessen Mitte zwey lange Geb?ude mit Arkaden stehen, unter denen die Handwerker, Kr?mer und Kaufleute ihre Buden haben, die t?glich ge?ffnet werden, wo Waaren des Luxus und der Nothdurft in Menge feil geboten, und von den Verk?ufern angepriesen werden. Auf diesen Marktplatz werden zu Zeiten ganze h?lzerne H?user f?r Landleute zum Verkauf gebracht. Vor dem gr?sern Budenhause haben die Juden ihre Tische aufgestellt, die alle Arten von Papiergeld und Geldst?cken immer gegen Agio{738}, verwechseln. Die Juden sowohl, als die Christen bedienen sich zum Rechnen sogenannter Faullenzer{739}, die sie mit vieler Fertigkeit handhaben, und vermittelst deren sie verwickelte Rechnungen schnell und richtig l?sen. Man sagte mir, da? es nur die gebildeteren Kaufleute seyen, die sich auf das Rechnen mit Zahlen verstehen. Alle Verk?ufer ohne Ausnahme ?berbieten ihre Waaren sehr, indessen wei? der Eingeborne geh?rig zu markten{740}, und der Fremde lernt es bald. Die gr?seren Zahlungen werden in Papier gemacht, und zur Ausgleichung dient Kupferm?nze, deren gr?ste, ein Pietack, nach unserem Gelde etwa 1 1/2. Kreuzer // S. 157// ausmacht, und dem brabanter Thaler in der Gr??e gleicht. Silbergeld ist nicht h?ufig, und das Gold ist selten.
Die h?lzernen H?user stehen meistens nicht an der Stra?e unmittelbar, sondern in der Mitte groser, mit Bretterw?nden umgebener H?fe. Sie sind alle nur einstockigt{741}, und darum der hohen Bretterw?nde wegen von der Stra?e oft gar nicht zu sehen. Auch hier, wie in Pohlen, haben die H?user kein heimliches Gemach{742}, sondern es ist als solches der ganze Hofraum zu betrachten, der ?brigens demungeachtet dadurch nicht unreinlicher wird, weil die dort herumlaufenden Schweine die Excremente aufzehren, und nach dieser Kost so l?stern sind, da? es nur vermitttelst eines t?chtigen
Stocks m?glich ist, seine Nothdurft in Ruhe zu verrichten. In der N?he des Marktplatzes befinden sich mehrere Wirthsh?user, in denen Branntwein, Thee und Quass geschenkt wird, und verschiedene Fleischarten auf einem Tische, der unseren Badentischen gleicht, aufgeh?uft und schon zubereitet hegen, so da? sie zum Verspeisen nur wieder gew?rmt zu werden brauchen. Auch sind immer verschiedene Fischarten vorhanden, die in groser Menge auf dem Markte feil stehen, und von den Russen an ihren vielen Festtagen mit Oel und irgend einer Mehlspeise genossen werden. Diese Wirthsh?user sind mit denen in Deutschland in Absicht auf Reinlichkeit keineswegs zu vergleichen, es ist keines, in // S. 158// dem nicht der Besuchende Ungeziefer zu bekommen f?rchten mu?. Die Fremden, die in solchen Gasth?usern ?bernachten wollen, werden in den Zimmern herum auf Stroh gelegt. Eines dieser H?user besuchten wir t?glich, und wir sch?pften ihm wegen des schmutzigen Aussehens des Wirthes und seiner zwey b?rtigen Kellner, die ?brigens alle 3. ?usserst gef?llig waren, den Namen zu den drey Schmutzmicheln. Ein Weinhaus, das einzige, besuchten wir nur Einmal, es ist reinlicher als die Traiteursh?user{743}, und gef?lliger eingerichtet. Der Wein, der da gew?hnlich getrunken wird, kommt aus der Moldau.
Die Stadt hat mehrere Kirchen, darunter aber nur drey steinerne, die ?brigen sind ganz aus Holz. Am Christfeste wohnten wir dem Gottesdienste in der Cathedralkirche bey, der Cultus ist ?usserst pomp?s, die Vocalmusik vortreflich, und wir waren ganz entz?ckt von der herrlichen Stimme, die das Hospoden po milu{744} sang.
Die Stra?en der Stadt sind weder gepflastert, noch chaussirt{745}, sie sind sehr uneben, und bey Regenwetter so kothig, da? ich gut bespannte W?gen stecken bleiben sah. Die Einwohner werfen alle Unreinigkeiten auf die Stra?e, und selbst in den gangbarsten trifft man auf todte Katzen, Hunde, selbst Pferde und Rindvieh. Besonders unangenehm und l?stig ist die zahllose Menge herrenloser Hunde, die in Heerden // S. 159// durch die Stra?en ziehen, und die Vor?bergehenden nicht nur anbellen, sondern selbst210 angreifen. Es geschah uns ?fters, da? wir von solchen Heerden angefallen wurden, und uns nur mit M?he ihrer erwehren konnten. Wenn ihre Zahl nicht zu gro? ist, so gen?gt es ?brigens an ein paar t?chtigen Hieben auf den vordersten und k?hnsten, um den ganzen Trupp mit Geheul davon laufen zu machen. Zur Nachtzeit giengen wir nie einzeln ?ber die Stra?e, sondern immer mehrere zusammen, weil der Einzelne in Gefahr stand, ermordet zu werden, was mehreren Franzosen w?hrend unseres Aufenthaltes in Czernigow begegnete. Zwar besteht in der Stadt eine Polizeywache, die Nachts Runde macht, allein ihre Sorgfalt erstreckte sich nicht bis auf uns arme Gefangene, vielmehr hatte sie selbst vielleicht bey der Ermordung der Franzosen ihre H?nde im Spiel, jedenfalls aber pf?ndete sie gew?hnlich die einzelnen Gefangenen, die ihnen Nachts in den Stra?en in die H?nde fielen.
In Czernigow lagen damals nur 2. Compagnien Invaliden als Besatzung. Die Soldaten sind bey den Einwohnern einquartirt, die Officiere miethen sich ihre Wohnungen. Letztere zeichnen sich durch Bildung keineswegs aus. Die Mannszucht schien nicht sehr strenge zu seyn. —
Die Einwohner geh?ren nicht zu den AltRussen. // S. 160// Sie sind ein Gemisch von Russen und Pohlen, und haben, wie es ?berall an der Grenze von gr?seren V?lkern der Fall ist, die Tugenden der beiden Nationen meistens abgelegt, dagegen nicht nur ihre Nationalfehler beybehalten, sondern auch noch die des andern Volkes angenommen. Der Czernigower ist listig und pfiffig, habs?chtig und betr?gerisch. Das zweite Geschlecht, das — wie allerorten in Pohlen und Ru?land,211 nicht zum sch?nen gerechnet werden darf, soferne es den unteren und mittleren Volks-Classen angeh?rt, ist unreinlich, h??lich, in hohem Maase streit- und zanks?chtig. Beyde Geschlechter zeigten sich hart und unbarmherzig gegen die armen Gefangenen, das weibliche aber noch mehr, als das m?nnliche. Manche Einwohner treiben Handwerke, jedoch ohne viele Fertigkeit, viele andere n?hren sich vom Handel mit allen Arten von Gegenst?nden, und bey mehr Bildung d?rfte ihre Th?tigkeit und Unverdrossenheit sie bald zu gr?sserem Wohlst?nde f?hren. Die Beamten und der Adel sind wenig zahlreich. So weit unsere Lage uns Beobachtungen erlaubte, so bemerkten wir nichts, das uns eine grose Meynung von ihrer Bildung h?tte geben k?nnen. Beide Classen liessen sich nie zum Umgang mit uns herab. Die Juden, deren es viele giebt, leben von Handel und Gewerben, und zeichnen sich, wie in Pohlen auch hier durch ihre Betriebsamkeit und Habgier aus. Die ans?ssigen Fremden sind meistens Deutsche, Handwerker und Professionisten{746}, Apotheker und Aerzte, und alle gewinnen einen reichlichen Lebensunterhalt, den sie durch Flei?, // S. 161// Sparsamkeit und Rechtlichkeit meistens wohl verdienen. Ihr oft zur?ckstossendes, immer aber kaltes Benehmen gegen uns, ihre Landsleute, findet eine hinl?ngliche Entschuldigung in der Eifersucht, mit der ihr Umgang mit uns von den russischen Beh?rden bewacht wurde. Die Kleidung der h?heren Classen ist ganz nach franz?sischem Schnitte, w?hrend die der niederen durchaus ?hnlich ist dem der Landesbewohner. Die Lebensart der Einwohner ist einfach. Nirgends gewahrte ich ?ffentliche Lustbarkeiten, wie T?nze, und dergl[eichen]. In einzelnen adelichen H?usern fanden hin und da B?lle und Soupes{747} statt. Die Kost der mittleren Classen besteht aus Fleisch und Mehlspeisen, an Fasttagen aus gesalzenen Fischen und Eyern mit Oel gebraten. Der gemeine Mann lebt von Mehlspeisen, Sauerkraut und gesalzenen Fischen, und in den Fastenzeiten genie?t er gew?hnlich nur Fische.
Die Lebensmittel sind wohlfeil, das Brod ist um 2/3.tel wohlfeiler, als in gew?hnlichen Zeiten in Deutschland. Der Preis des Fleisches von Rindvieh und Schaafen steht in gleichem Verh?ltni?, ebenso das Gem?se, wie Kartoffeln, R?ben, Zwiebeln u.s.w. Der Markt ist immer reichlich versehen mit jeder Art von Lebensmitteln. Das allgemeine Getr?nke ist der Quass und der Thee. Zu allen Stunden des Tages ziehen b?rtige Russen durch die Stra?en der Stadt, und rufen ihren Quass und Czay (Thee)214 zum Verkauf aus. Letzteren f?hren sie in // S. 162// grosen Gef?ssen auf dem R?cken, an deren Untertheil ein Beh?lter mit Kohlen angebracht ist, so da? das Getr?nke immer siedend hei? erhalten wird. Statt des Zuckers bedient man sich des Honigs. — Der Winter war w?hrend unseres Aufenthalts in Czernigow nicht strenge, er begann erst in der Mitte des Novembers, und wenn gleich die K?lte nie weniger als 3—4.° hatte, so stieg sie doch auch nicht h?her als auf 10—12° —
Schon am 14. November traf die Kunde des Abfalls W?rttembergs von Frankreich, und seiner Vereinigung mit den verb?ndeten M?chten in Czernigow ein. Die erste Nachricht davon wurde uns durch einen in der Stadt ans?ssigen Arzt, der uns wohl wollte, mitgetheilt. In dem ersten Jubel eilten wir zu dem Gouverneur, und machten Anspruch auf eine Behandlung, wie sie den nunmehrigen Allirten Ru?lands zuk?me. Allein dieser entschuldigte sich mit dem Mangel an Verhaltungs-Befehlen von der Regierung, und das Einzige, was wir mit Noth von ihm erhielten, war das Versprechen, uns vorerst noch nicht mit dem n?chsten Gefangenentransport nach Tambow zu senden. Indessen waren wir vorl?ufig mit diesem Erfolge zufrieden, und Freude und neues Leben kehrte zu uns zur?ck. Nun liessen wir keinen Tag verstreichen, an dem wir nicht nach der Ankunft der so sehnlich erwarteten Befehle zu unserer Heimkehr eifrig geforscht h?tten, aber noch // S. 163// l?nger als 14. Tage blieb unsere Ungeduld auf die Folter gespannt. Endlich zu Ende Novembers berief uns der Gouverneuer vor sich, und er?ffnete uns, da? er jene Befehle erhalten habe, da? sich aber unsere Abreise von Czernigow noch eine Zeitlang verz?gern werde, weil er s?mmtliche W?rttemberger und Bayern, die sich in seinem Gouvernement finden, zuvor sammeln m?sse, von einer Erh?hung unseres armseligen Gehalts, oder gar von einem Vorsch?sse war aber keine Rede. Wie unangenehm uns diese Z?gerung war, l??t sich leicht denken, indessen waren wir doch dem Ziele unserer W?nsche um einen grosen Schritt n?her ger?ckt. Wir ermangelten nun nicht, unsere Abreise m?glichst zu betreiben, allein sie lag den russischen Beh?rden weit weniger am Herzen, als uns, und wir mu?ten uns noch oft und lange zur Geduld verweisen lassen. Ein angenehmer Zwischenfall in dieser Zeit der Ungeduld war die Bewilligung von 100. Rubeln Papier, die jedem Gefangenen Officier zu Anschaffung von Winterkleidern zu Theil, und wodurch manche bange Sorge, manche dr?ckende Noth gehoben wurde. Zu Anfang des Jahres 1814. langte ein wiederholter Befehl zu unserer baldigen R?cksendung an, und nun erst wurden ernstliche Anstalten zu unserer Abreise getroffen. Am 13. Januar wurde ein Officier von der Landwehr zu unserer Begleitung bezeichnet, und unser Abmarsch auf den 19.ten festgesetzt. Wir w?ren gerne dieser Begleitung enthoben gewesen, // S. 164// umso mehr, als wir, wie wir aus sicherer Hand vernahmen, dem Officier schlecht empfohlen worden waren, und er den Auftrag hatte, uns unter strenger Aufsicht zu halten, allein unsere diesf?lligen Schritte blieben ohne Erfolg, und so ergaben wir uns darein, nochmals als Gefangene transportirt und behandelt zu werden, wenn wir gleich auf bessere Behandlung Anspruch machen konnten. Ueberhaupt konnten oder wollten die russischen Beh?rden nicht begreifen, warum wir unsere Abreise so eifrig betrieben, da unsere Lage in Czernigow doch ganz behaglich sey. Den Tag vor der Abreise, am 18.ten Jan[ua]r (6. Jan[ua]r alten Styls) ward uns noch ein seltenes Schauspiel zu Theil, das Fest der Wasserweihe. Der Erzbischoff im festlichen Ornate, umgeben von der ganzen Clerisey215 und einem ausgezeichneten S?ngerchor, begleitet von s?mmtlichen Milit?r- und Civil-Beh?rden, weihte, in Gegenwart einer unz?hligen Menge Volks aus allen St?nden, den kleinen an der Stadt vorbeifliessenden Bach, dessen Eisdecke aufgehauen war, unter vielen Gebeten und Ceremonien, und dem Donner der B?ller, feierlich ein. Nach beendigter Ceremonie nahmen die Anwesenden von griechischem Ritus von dem geweihten Wasser mit sich, und der ?brige Tag wurde in Gebet und Andacht hingebracht. — // S. 165//